Die Kritik
an der Juristenausbildung und der Ruf nach Reformen ist so alt wie das Fach selbst.
Mit der Akademisierung der Jurisprudenz und ihrem Willen zur Rechtswissenschaft verschärfte sich das Unbehagen.
Die Rhetorik als älteste Lehrerin der Juristen ist zwar nie ganz aus dem Hörsaal und den Bibliotheken verschwunden. Sie erklärt nicht anders als vor 2000 Jahren, wie man effektvoll redet, beurteilt, argumentiert.
Aber meist bleibt sie jetzt im Hintergrund. Sie trägt andere Namen wie "Kommunikation", "Diskurs" oder "Schlüsselqualifikation" oder bleibt ganz anonym. Ihr Medium ist die sog. Graue oder Literatur, die offiziellen Lehrer die Repetitoren.
Der Beitrag kritisiert die Praxisferne juristischer Ausbildung. Zwar müsse man akzeptieren, dass das Recht über "Fiktionen" wirke. Dies entbinde jedoch nicht von der Verantwortung, sowohl die
Herstellung als auch die Auswirkung dieser Gebilde mit Bewusstheit zu vollziehen. Statt dessen setze die Ausbildung auf ein gedankenloses "Imitationsverhalten", eine "Erziehung zur
Bewusstlosigkeit" (S. 504).
Eine gute Juristenausbildung muss zu einem gewissen Grad auch Aufklärung bedeuten (S. 508). Dafür muss den Studierenden die "Sprachgebundenheit juristischer Arbeit" deutlich gemacht werden.
Methodische Aufklärung verlange, die vermeintliche Rechtsanwendung als einen vielfach gebundenen Prozeß der Sprachgestaltung aufzuzeigen. Der Anfänger habe zu "begreifen, daß er in dem Moment, in
dem er seinen ersten Fall zu lösen beginnt" zum "schöpferisch tätig" wird. Diese rechtsmethodische Aufklärung sei aber auf rhetorisches Wissen angewiesen.
"In diesem Sinne sollte sich eine rechtsmethodische Propädeutik nicht nur um die Vermittlung juristischer Kompetenz bemühen, sondern auch ein Bewußtsein für die Grenzen sprachlicher Ordnungsmacht
wecken. Dabei
würde sie auch darauf hinweisen, daß diese Grenzen nicht unüberwindlich sind. Im Einzelfall
können sie mißachtet werden ... Dieser Umschlag vom Regelrechten ins Regellose kann nicht ein für allemal verhindert werden (S. 512), weder durch rhetorische Analyse noch durch methodische
Aufklärung" -- aber erst "nicht durch eine Theorie, die für diese Entwicklungsmöglichkeiten keine Kategorien hat."
Juristen, die lediglich mit einem eingeübten Imitationsverhalten ausgestattet sind, würden diese Entwicklung
nicht erfassen, ja mehr noch: sie verstärken. Ein Berufsstand, dem technische Reflexion als begleitende »zweite
Ebene« oberhalb seiner alltäglichen Tätigkeit vertraut wäre, verlöre zumindest nicht die übersieht. Für welchen Weg sich der einzelne jeweils entscheidet, bleibt allerdings offen."